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Poetenblog? Nicht mehr da!

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Essen oder gefressen werden

Veröffentlicht am 9. August 2011 von WORTlieb mARTin in Genuss

shakespeare.jpgLebensmittelreste werden sowieso nie weggeschmissen, da dies Verschwendung ist und eine Sünde gegenüber den armen Kindern ist Westpolen und Südafrika. Essen ist trotz der Zuckerangst ein sehr wichtiges Thema des sich spiegelnden Menschen. Kartoffeln und Erdäpfel haben ausgedient, Sushi und Pfauenlenden aus Sau Nikon sind gefragt. Nebst Diabetiker-Produkte, die ja schliesslich noch ihren Sinn haben, sind wir darauf aus, möglichst unterschiedlichste Produkte beim Grosshändler zu kaufen und uns einzureden, dass wir etwas ganz Exklusives im Einkaufswagen horten, dass wir die Einzigen sind, die sich diese Lebensmittel leisten - oder leisten können - und dass wir bewusst leben, denn wir kaufen nicht das billigste, sondern das am teuersten Angeschriebene. Light-Produkte helfen uns, abzunehmen, gar nicht fett zu werden und weisse Zähne zu haben. Den Unterschied zwischen soft und mild ist uns geläufig wie die Relativitätstheorie und wir kennen sogar Zero-Produkte, die Steigerung der Light-Waren, die absolut nichts enthalten, nicht einmal eine kleine Sünde. Ungesüsst, entkoffeiniert, fettfrei, und möglichst bio muss es sein, unser Essen, bei dem wir zwar nicht dick werden dürfen, sondern bloss vitaminreich genährt. Premium Produkte, langsamer Food und selektierte Billigprodukte, budgetbedachter Abfall gegen preisgarantierte Delikatessen. Jede Fliege in der Suppe, die man sich selbst eingebrockt hat, wird stets von findigen gesundernährenden Menschen entdeckt! Der sich spiegelnde Mensch isst Fast Food, weil er immer unterwegs ist, sich unterwegs findet und immer schneller reist und hastet, immer kürzere Pausen hat und immer mehr Termine, weil er immer mehr Freunde gewinnt. Fast Food, der Schrecken des sich spiegelnden Menschen, ist der Inbegriff des sich spiegelnden Menschen geworden, obschon wirkliche Bio-Fanatiker und Öko-Esser kein Fleisch verschlingen, eingeklemmt in zwei getoasteten Brötchen, garniert mit einem Salatblatt und reichlich fett. Sie essen, was Mutter Natur ihnen bietet und zwar nur Mutter Natur, Vater Mensch darf seine Finger nicht im Spiel haben, sonst wird zugebissen. Wenn ein Produkt aber Bio ist, dann werden auch keine Düngungsmittel verwendet, keine schädlingsbekämpfenden Schutzmittel, keine antibakteriellen Substanzen. Dies bringt den sich spiegelnden Menschen in ein Dilemma, da er bekanntlich an Waschzwang und Virenfurcht leidet. So muss er mehrmals seinen Salat waschen, muss seine Früchte schälen, sein Fleisch desinfizieren - mit Schnaps und er muss immer gut sein Besteck reinigen, seine Zähne auch, seine Hände ebenfalls. Und nur Nebenbei muss der gesunde, duftende, sammelnde, jagende und sich spiegelnde Mensch auch seine Weste im Beichtstuhl reinigen, da er von „sündigen“ spricht, wenn er mit einem schlechten Gewissen ein Stück Torte isst und deshalb gleich fetter wird um die Hüfte. Weil Bio-Essen mehr Arbeit gibt für den sauberkeitsliebenden sich spiegelnden Menschen, ist es einfacher, in Bio Restaurants zu essen, oder in Bio-Café’s zu konditoren. Dem Bioladen an der Ecke vertraut man mehr als einem Label, dem Bio-Label traut man mehr als dem Preis, dem Preis traut man mehr als der Vogelgrippe, Maul- und Klauenseuche, dem Rinderwahn, der Schweinegrippe und dem Gammelfleisch, den Salmonellen oder dem Schimmel, den Schnecken im Salat und den Würmer in den Äpfeln zusammen.

In diesem Sinne: "Stay rereading the fine print!"

Ausschnitte aus: "schön&gut - Der sich spiegelnde Mensch", von WORTlieb, 2007


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D
<br /> "To sleep, perchance to dream"<br />
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W
<br /> <br /> .. as the poet said ..<br /> <br /> <br /> <br />